Deutsche Rentenversicherung

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Das Reha-Tagebuch

Thomas Mayer gewährt uns persönliche Einblicke in seinen Aufenthalt in Eußerthal

Während seiner Reha von Herbst 2023 bis Ende Januar 2024 hat unser Patient Thomas Mayer Tagebuch geführt. Jeden Tag, 13 Wochen lang. Auszüge daraus dürfen wir hier veröffentlichen.

Thomas MayerQuelle:DRV Rheinland-Pfalz Thomas Mayer Thomas Mayer

Dauerhafter Erfolg

Der zunehmende Alkoholkonsum sei bei Thomas Mayer ein schleichender Prozess gewesen, erzählt er uns. Und dieser habe immer gravierendere Auswirkungen gehabt: auf die Beziehung zu seiner Frau, auf sein soziales Umfeld und auch auf seine damalige Arbeit in einem Krefelder Krankenhaus. Aus eigenen Stücken schaffte er es abstinent zu werden, jedoch wurde ihm klar, dass nur eine intensive Aufarbeitung der Ursachen sowie ein Austausch mit anderen Betroffenen zu einem dauerhaften Erfolg führen könnten. Er hat in den Wochen bei uns Tag für Tag seine Erlebnisse dokumentiert, 30 Seiten sind es geworden. Wir danken Thomas Mayer dafür, dass er uns sein Tagebuch und seine privaten Fotoaufnahmen zur Verfügung gestellt hat. Ein Jahr danach, im Januar 2025, erreicht uns erneut eine E-Mail von ihm, in der er schreibt: "Ich werde der Droge Alkohol keinen Platz mehr in meinem Leben geben." Das wünschen wir ihm auch von ganzem Herzen.

Fachklinik Eusserthal von außenQuelle:Thomas Mayer Fachklinik Eusserthal Fachklinik Eußerthal

1. Woche

Dienstag, 24. Oktober - Aufnahmetag

Die Klinik erwartet mich laut Anschreiben um 9 Uhr. Meinen Wagen konnte ich auf einem für Patienten und Besucher angelegten Parkplatz abstellen. [...] Die Begrüßung durch das Pflegepersonal war sehr freundlich und die Punkte auf dem Laufzettel, wie Labor und pflegerische Aufnahme, waren schnell abgearbeitet. Nach der ärztlichen und psychologischen Aufnahme brachte mich eine Pflegeschülerin auf mein Zimmer. Auf der Aufnahmestation bleibt man für eine Woche, bevor man auf die endgültige Wohngruppe kommt. Ich hatte mir die Fachklinik Eußerthal gewünscht, weil mir dort ein Einzelzimmer garantiert wurde. Das war mir sehr wichtig. Ich habe nichts gegen Kontakt zu Mitpatienten, aber ein gewisses Maß an Privatsphäre ist mir wichtig. Mein erstes Zimmer gefiel mir sehr. Zweckmäßig mit Bett, Schreibtisch und Schrank ausgestattet. Ein modernes und geräumiges Badezimmer. Ausreichend Steckdosen und einen herrlichen Ausblick auf den Pfälzerwald. Nachdem ich mich eingerichtet hatte, stand der erste Termin vom Therapieplan an. Wir wurden mit den wichtigsten Informationen zur Klinik versorgt, machten einen Rundgang durch das Haus und bekamen eine Wasserflasche und einen Kaffeebecher. Trotz der Führung brauche ich sicherlich etwas Zeit, um mich zurechtzufinden, aber ich habe dafür ja dreizehn Wochen Zeit.

Mittwoch, 25. Oktober

Pünktlich zum Frühstück um 7:10 Uhr. Auch hier ist der erste Eindruck gut. Heute stehen drei Punkte auf dem Programm. Es beginnt mit einer Einweisung in die Speiseversorgung. Ich kann nun zukünftig zwischen zwei Mahlzeiten wählen. Die Begrüßung und Einführung in die Reha erfolgt durch den Chefarzt. Davon bin sehr angetan, denn ich merke, dass er uns auf Augenhöhe und mit Respekt begegnet. Er weist nicht nur auf die notwendigen Verhaltensregeln hin, sondern erklärt auch die Hintergründe. Unternehme einen Spaziergang um die Klinik, denn man darf das Klinikgelände in den ersten vierzehn Tagen nicht verlassen. Die Klinik ist wirklich schön gelegen und noch zeigen sich die Bäume in ihrem schönen Herbstkleid. Es blühen sogar noch einige Blumen. Wie gut, dass ich meine Fotoausrüstung mitgenommen habe. Beim Mittagessen erkennt man den erfahrenen Rehabilitanden sofort. Er bringt zum Essen seine Maggi-Flasche mit. Am Nachmittag dann einen Termin zur Erhebung der Sozial- und Arbeitsanamnese. Ein sehr nettes Gespräch mit dem Ergotherpeuten gehabt. Er findet Gefallen daran, dass ich eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer gemacht habe.

Abenddämmerung über dem PfälzerwaldQuelle:Thomas Mayer Dämmerung Abenddämmerung über dem Pfälzerwald

Donnerstag, 26. Oktober

Am Nachmittag fand dann meine erste Gruppentherapie statt. Schon nach kurzer Zeit merkte ich, dass es sehr in die Tiefe geht und die Ausführungen des Oberarztes haben mich berührt, weil ich mich wiederfinden konnte. Die Zielsetzung ist klar und ein Gelingen der Therapie liegt vor allem an einem; an mir selbst.

Samstag, 28.Oktober

Nach dem Frühstück entwickelt sich jetzt schon eine gewisse Routine. Noch einen Instantkaffee aufschütten und dann in Ruhe das E-Paper der heimischen Zeitung lesen. Mails checken. Danach, wenn es die Zeit und das Wetter zulassen, einen Spaziergang auf dem Klinikgelände. Heute hatte ich ein besonderes Erfolgserlebnis. Das Toilettenpapier ging zur Neige. Ich unterlag dem Irrtum, dass dieses wieder aufgefüllt wird. Durch Nachfragen erfuhr ich, dass man sich in der Gruppe darum kümmern muss. Ist ja auch okay, aber in der Aufnahmestation ist man in der ersten Woche noch nicht mit allen Dingen vertraut. Hauswirtschaft hat Feierabend. Gut, teile dir das Papier ein und zur Not hast du noch Taschentücher.

Ein Ast mit gelben BlattQuelle:Thomas Mayer Der Herbstwald Herbstzeit in Eußerthal

2. Woche

Montag, 30. Oktober

Heute Gruppentherapie und Informationen zum Umzugstag. Ein neuer Psychologe leitet die Gruppentherapie. Die Ausführungen des Psychologen zum Thema „Was ist Sucht, welche Kennzeichen sind Beleg für die Sucht und welche Folgen hat Sucht“, sind sehr interessant. Ich war mir bei meiner Standortbestimmung noch nicht sicher. Bin ich Alkoholiker oder nicht? Da ich von den aufgeführten sieben Punkten jedoch sechs bejahen muss, ist das Fazit: Ja, ich bin Alkoholiker!

Dienstag, 31.Oktober

Tag des Umzugs. War schon recht früh wach. [...] Am Abend dann die erste gemeinsame Gruppenrunde. Alle stellen sich vor und berichten über ihren Alkoholkonsum. Ich fand, dass wir gut aufgenommen wurden und mir hat es gut getan zu erfahren, dass ich mit meinem Problem nicht alleine dastehe. Ich möchte jetzt den Satz schreiben: "Alles wird gut“, weil ich Moment dieses Gefühl habe. Aber jetzt möchte ich zu Bett, denn ich bin todmüde. Moment, muss ja noch meine Tabletten holen... .

Donnerstag, 2. November

Erste Gruppentherapiestunde in der neuen Gruppe. Mein Eindruck ist, dass die Gruppe ausgeglichen besetzt ist und alle bemüht sind, konstruktiv mitzuarbeiten. Thema ist „der Rückfall“. Die Informationen des Sozialdienstes fasse ich mal zusammen mit „Hilf dir selbst, dann ist dir geholfen.“ Die Mitarbeiterin für den Bereich Nachsorge hat mir in ihrem Vortrag aber ein paar interessante Infos mitgeben können.

Samstag, 4. November

Was für ein Gefühl, sich heute nach dem Frühstück ins Auto zu setzen und nach Annweiler zu fahren. Ich kam mir beim Einkaufen im Drogeriemarkt wie ein König vor. Und das ist nicht übertrieben. Die Erfahrung einer Freiheitseinschränkung und das Gefühl, diese wiederzubekommen, möchte ich nicht missen. Bin dann noch durch Annweiler spaziert. Eine sehr schöne Altstadt.

Blick auf BurgenQuelle:Thomas Mayer Pfälzerwald Ausblick aus dem Klinikfenster

3. Woche

Montag, 6. November

Erste Sporteinheit. Gespannt was kommt. Die Gruppe trifft sich in der Sporthalle. Danach geht es zu einem Eingangstest (Cooper) auf den Parkplatz. Auf einer abgesteckten Runde soll jeder zwölf Minuten die Strecke mit maximaler Intensität zurücklegen. Ich gebe mir wirklich Mühe, aber traue mich nicht wegen meiner Knieproblematik, zu joggen. So walke ich aber mit voller Intensität. Da nur der Vergleich in einigen Wochen eine Aussage treffen kann, ist das Ergebnis erstmal Nebensache.

Mittwoch, 8. November

Es beginnt mit der Musiktherapie. Was für ein Knaller. Wir sind vier Personen und der Therapeut. Selten so ein gutes Eingangsgespräch geführt und die Beziehung zwischen Tonalität und Gefühl erfahren. Das hat Lust auf mehr gemacht. Habe am Abend dann mit einem Freund telefoniert und ihm den wahren Grund für meine Reha genannt. Seine Reaktion war sehr positiv. Das hat mich sehr gefreut und mich darin bestätigt: Ein offener Umgang mit der Erkrankung ist das Beste. Gute Nacht. Von wegen. In der Einschlafphase gegen 22 Uhr Alkoholkontrolle.

Donnerstag, 9. November

Nach dem sportlichen Eingangstest der letzten Woche, stand dann am Nachmittag meine erste Sporteinheit auf dem Programm. Wir konnten zwischen Kraftraum oder Kardiotraining entscheiden. Habe mich für den Kraftraum entschieden, denn ich hasse den Stepper. Der Sportlehrer war mit mir dann auch relativ gnädig.

Freitag, 10. November

Ohne Muskelkater aufgewacht. Die erste gute Nachricht des Tages. Die Gruppenstunde hat das Thema von gestern aufgegriffen. Rückfallprävention, Wichtigkeit der Aufarbeitung der positiven Aspekte des Trinkens und der negativen Aspekte der Abstinenz. Entwicklung eigener Strategien. Absolut nachvollziehbar und sinnvoll.

Ein Dromedar steht auf einer Wiese vor dem Landauer ZooQuelle:Thomas Mayer Zoo Landau Zoo Landau: Die Dromedare sind von der Straße aus zu sehen.

Samstag, 11. November

Nach dem Mittagessen starte ich sofort nach Landau. Zunächst möchte ich den Zoo besuchen. Der liegt direkt an der Innenstadt. Parkplätze sind ausreichend vorhanden. Da ich den Zoo öfter besuchen möchte, entscheide ich mich sofort für eine Jahreskarte.

4. Woche

Dienstag, 14. November

Vor dem Frühstück Blutabnahme. Kontrolle der Blutwerte. Da ich am Nachmittag kein Programm hatte, brach ich nach dem Mittagessen zu einer kleinen Wanderung auf. Diesmal von Anfang an eine sehr schöne Tour mit einem tollen Blick auf den Pfälzerwald und die Klinik. Super schönes Foto gemacht. War eine Stunde und fünfzehn Minuten unterwegs. Hat mir gereicht.

Blick auf die Klinik umgeben von WaldQuelle:Thomas Mayer Die Klinik Eußerthal Idyllisch gelegen: die Fachklinik Eußerthal.

Samstag, 18. November

Da hatte ich mich mit der Zeit vertan und das Frühstück verschlafen. Egal, wollte ja nach Landau fahren. Dann kann ich auch auf dem Hinweg frühstücken. Habe dann in einer Bäckerei ein sehr gutes Butter-Brezel gegessen. Sehr lecker. Wusste überhaupt nicht, das Laugengebäck hier auch so beliebt ist. Nach einer ausgiebigen Fotosession im Zoo habe ich dann einen Bummel durch die Landauer Innenstadt gemacht.

5. Woche

Mittwoch, 22. November

Der Nachmittag beginnt mit einer Paartherapie. Meine Frau wird via Videotelefonie zugeschaltet. Irgendwie fühle ich mich sehr angespannt und obwohl das von meinem Bezugstherapeuten geleitete Gespräch gut verläuft, lässt dieses Gefühl auch bis zum Schluss nicht nach.

Donnerstag, 23. November

Der Nachschlag beim Mittagessen mit dem zweiten Kartoffelpuffer war keine so gute Idee, denn eine halbe Stunde später stand Sport auf dem Programm. Obwohl nur Krafttraining, fühlte ich mich schon ein wenig träge. Das musste anschließend mit einem Schläfchen enden.

Samstag, 25. November

Die Erkältung, die sich seit drei Tagen anbahnt, hat in der Nacht richtig Formen angenommen. Nicht so gut geschlafen. Trotzdem breche ich nach einer Tasse Kaffee auf. Fahre nach Siebeldingen. Im dortigen Supermarkt ist eine Bäckerei. Dort gönne ich mir ein Frühstück mit Café Crema und zwei Butter-Brezel. Die sind hier einfach super. Nach einem Einkauf in Annweiler geht es nach Hauenstein ins Schuhmuseum. Der Besuch hat sich gelohnt. Fühle mich in meine Kindheit zurückversetzt. Die original Ladeneinrichtungen. Die Exponate mit Lurchi und Co. Super. Immer wieder tolle kleine Filme über die Entwicklung der Schuhindustrie in Deutschland. Namen wie Salamander und ROMIKA, die fast in Vergessenheit geraten sind. Also, klare Empfehlung. Danach zum Wildpark in Silz. Leider schlägt jetzt meine Erkältung voll durch. Außerdem ist es regnerisch und kalt.

Der winterliche Wild- und Wanderpark in SilzQuelle:Thomas Mayer Wild- und Wanderpark Silz Viele verschiedene Tierarten aus ganz Europa haben im weitläufigen Gelände des Wild- und Wanderparks ihr Zuhause gefunden.

6. Woche

Montag, 27. November

Gehe dann heute Morgen doch zu meiner Bezugsärztin. Die Erkältung ist zwar besser, aber ich möchte mich vom Sport befreien lassen. Das ist auch kein Problem. Diese Woche soll ich noch meinen Infekt auskurieren. Danach melde ich mich für Bogenschießen, Lama- und NABU-Wanderung an. In meiner Einzeltherapie wollen wir auch über die Trauer sprechen, die ich bei dem Gedanken empfinde, nie mehr Alkohol trinken zu dürfen. Symbolisch soll ich bis zur nächsten Stunde einen Abschiedsbrief schreiben und darüber hinaus die persönlichen Vor- und Nachteile von Konsumverhalten aufschreiben. Die Gruppenstunde am Nachmittag behandelt das Thema Co-Abhängigkeiten. Die Problematik war mir so vorher überhaupt nicht bewusst. Sehr erfreulich, dass meine Frau anscheinend im Umgang mit mir schon fast alles richtig gemacht hat.

Samstag, 2. Dezember

Zunächst gibt es wieder ein Butter-Brezel-Frühstück beim Bäcker meiner Wahl. Danach fahre ich zum Wildpark in Silz. Da ich schon recht früh da bin und das Wetter auch recht bescheiden ist, vor allem sehr kalt, bin ich zunächst der einzige Besucher. Der Park ist sehr schön angelegt und man kann einen großen Rundweg wählen, wo man an allen Tieren vorbeikommt. Dabei ist es besonders schön, dass das Rot- und Damwild nicht eingesperrt ist, sondern frei über das Gelände läuft.

Sonntag, 3. Dezember

Tolles Wetter. Kalt, aber die Sonne scheint. So kann die geplante Wanderung beginnen. Mit dem Wagen fahre ich bis nach Dernbach. Vom dortigen Dorfplatz geht es zunächst zum Dernbachhaus. Von dort über die Landauer Hütte zum Orensfels. Dazu müssen 400 Höhenmeter überwunden werden. Nach 4,2 Kilometern bin ich am Ziel. Eine wirklich schöne Strecke mit zwischenzeitlich tollen Aussichten. Auf der Aussichtsplattform auf dem Orensfels hat man einen wunderbaren Blick über den Pfälzerwald. Leider ist es sehr diesig und damit die Fernsicht getrübt.

Blick auf Damwild im Wild- und Wanderpark in SilzQuelle:Thomas Mayer Wild- und Wanderpark Silz Der Wild- und Wanderpark ist ganzjährig geöffnet

Woche 7

Montag, 4. Dezember

Die Gymnastik am Morgen war wirklich gut. Die Übungen am und mit dem Stuhl waren sehr effektiv und wären zu Hause auch gut umsetzbar. Wenn da bloß nicht immer dieser Mischling aus Schwein und Hund aufkreuzen würde.

Blick von oben auf den Ort Dernbach,  im Vordergrund weiden SchafeQuelle:Thomas Mayer Dernbach Das kleine Örtchen Dernbach ist einer der Nachbarorte von Eußerthal

Mittwoch, 6. Dezember

Am Nachmittag war ich dran, meine Suchtkurve der Gruppe vorzustellen. Ich war nicht nervös, denn etwas vor einer Gruppe vorzustellen bereitet mir keine Probleme. Ich hatte mir gedanklich auch schon einen roten Faden angelegt, sodass mein Vortrag auch flüssig und ohne große Hänger verlief. So war das Feedback der Gruppe auch durchgehend positiv. Wirklich wunde Punkte meiner Vergangenheit hatte ich allerdings geschickt verborgen. Mein Bezugstherapeut ist ein viel zu guter Psychologe, als das er mir das hätte durchgehen lassen. So musste ich durch sein Nachfragen auch die unangenehmen Dinge benennen. Ich gehe jetzt nicht auf jedes geäußerte Detail ein, aber am Ende meiner Suchtkurve war ich dann doch innerlich recht aufgewühlt. Trotzdem ist eine Aufarbeitung wichtig und gut.

8. Woche

Montag, 11. Dezember

Ganz schlechte Nacht gehabt. Habe bis um drei Uhr immer wieder auf die Uhr geschaut. Dementsprechend dann gerädert aufgestanden. Durch die Gymnastik habe ich mich durchgequält. Glücklicherweise standen nur Dehnungsübungen auf dem Programm. Passend danach das Seminar zur Schlafhygiene. Hoffentlich komme ich noch in den Genuss, alle vier Module mitmachen zu können, denn ich verspreche mir hier einige gute Tipps für ein schnelleres Einschlafen und einen erholsamen Schlaf. In der Einzeltherapie haben wir nach der Klärung einiger administrativer Dinge noch den Bogen „Vorbeugung bzw. Umgang von/mit Ausrutschern und Rückfällen“ besprochen. Insbesondere die Diskrepanz zwischen den Antworten von meiner Frau und mir. Allerdings gab es nur unwesentliche Unterschiede. Für die nächste Stunde soll ich eine Zwischenbilanz ziehen und mir Überlegen, an welchen Zielen ich weiter arbeiten möchte.

Blick über weiß bedeckten FeldwegQuelle:Thomas Mayer Ilbesheim im Winter Winter in Ilbesheim

Freitag, 15. Dezember

Da ich am Nachmittag keinen Termin mehr habe, fahre ich nach IIbesheim. Von dort mache ich eine kleine Wanderung zur Kleinen Kalmit. Die Kleine Kalmit gilt als botanisches Kleinod mit einem reichen Vorkommen der seltenen Küchenschelle. Zur artenreichen Fauna gehören 87 Arten von Spinnen und 43 Arten von Schmetterlingen. Die Kleine Kalmit ist eine 270 Meter hohe Erhebung, auf der eine kleine Kapelle liegt. Von dort hat man einen tollen Panoramablick. Ich verweile einige Zeit mit einer Butter-Brezel und heißem Tee. Zurück in Ilbesheim schaue ich mir noch die dortige „alla hopp!-Anlage“ an. Die Anlage wurde von der Dietmar Hopp Stiftung finanziert und soll ein Ort der Begegnung sein. alla hopp! Alle Generationen sollen sich in den frei zugänglichen Anlagen kostenfrei nach Lust und Laune bewegen, fit halten und erholen können.

Sonntag, 17. Dezember

Heute war ein richtig schöner Dezembertag. Sonnig und nicht zu kalt. Als erstes habe ich eine Wanderung zur Falkenburg gemacht. Die Ruine der Falkenburg liegt im südlichen Pfälzerwald auf dem 336 Meter hohen Schloßberg oberhalb von Wilgartswiesen. Toller Ausblick von dort oben. Danach nach Annweiler. Dort habe ich mit den besten Döner seit langer Zeit gegessen. Danach zur Burg Trifels. Vom Parkplatz läuft man circa 15 Minuten bis zur Burg. Diese hat jedoch in den Monaten Dezember und Januar geschlossen. So konnte ich mir die Burg nur von außen ansehen.

Samstag, 23. bis Dienstag 26. Dezember- Heimfahrt

Schlüssel und Tablettenvergabe klappt sehr gut. So können die beiden Mitfahrer und ich pünktlich um acht Uhr die Heimfahrt starten. Diese verläuft auch problemlos. So treffe ich kurz nach zwölf zu Hause ein. Freue mich, meine Frau wieder in den Arm nehmen zu können, obwohl die ersten Stunden in der Wohnung sich auch fremd anfühlen. Kann ich mir nicht richtig erklären. Die Zeit war doch recht kurz. Allerdings machte mir die Rückfahrt am 2. Weihnachtsfeiertag nur sehr wenig aus. Die Klinik gibt einem doch ein gewisses Gefühl von Sicherheit. Um halb zwölf traf ein Mitpatient in Krefeld ein und ich holte ihn vom Bahnhof ab. Die Rückfahrt verlief wegen eines recht hohen Verkehrsaufkommens etwas mühsamer. Mein Zimmer war mir so vertraut und ich habe mich sehr wohl gefühlt, wieder hier zu sein.

10. Woche

Mittwoch, 27. Dezember

In dem Seminar „Abstinenz - Was nun?“ geht es in erster Linie um unsere Heimfahrt. Ich berichte über mein Gefühl des Fremdseins und des Wieder-nach-Hause-Kommens und, dass ich mir deshalb ein wenig Vorwürfe mache. Der Therapeut meint jedoch, dass das völlig normal sei.

Samstag, 30. Dezember

Heute ohne Wecker aufgestanden. Um acht Uhr treibt es mich aus dem Bett. Nach einem Kaffee und dem E-Paper breche ich auf. Zunächst ein Frühstück in meiner Stammbäckerei. Ich beobachte den Wahnsinn an der Verkaufstheke. Einer irrer Stress für Verkäuferinnen und Kunden. Diesen Wahnsinn mache ich in Zukunft nicht mehr mit. Bin schon fast froh, den Silvesterabend in meinem Zimmer verbringen zu dürfen. Gegen elf Uhr breche ich zu einer Wanderung von Ramberg aus auf. Das Wetter blieb stabil und so habe ich eine wunderbare Runde über die Landauer Hütte bis zur Burgruine Neuscharfeneck gelaufen. Für die 8,5 Kilometer benötige ich knapp zwei Stunden. In der Klinik gibt es dann erstmal einen Kaffee mit den leckeren Zimtsternen meiner Schwester.

Burg NeuscharfeneckQuelle:Thomas Mayer Neuscharfeneck Burg Neuscharfeneck ist eine Burgruine im Pfälzerwald

Sonntag, 31. Dezember

Der Silvestermorgen verläuft völlig entspannt in meinem Zimmer. Kontinuierlicher Regen bringt mich auch nicht nach draußen. Gegen Mittag bessert sich das Wetter. Gerade richtig, denn um 14:30 Uhr startet die Wanderung mit dem NABU-Führer. Ein älterer, sehr sympathischer Mann empfängt mich und einen weiteren Patienten am Klinikeingang. Tja, wirklich nur zwei Teilnehmer. Das Angebot hätte mehr Teilnehmer verdient. Auf der anderen Seite hat so die Wanderung einen Charakter von Privatveranstaltung. Wir erfahren in der zweistündigen Wanderung so viel Neues. Der Herr vom NABU ist ein einziger Quell an Informationen. Und am Ende kann ich bereits ein paar Bäume erkennen und zuordnen.

11. Woche

Mittwoch, 3.Januar

Bekomme dann das Angebot, im Anschluss an die Gruppenstunde noch an einem Gespräch mit der Bezugstherapeutin teilzunehmen. Das nehme ich auch an. Im Gespräch mit ihr überwältigt mich ein aufgestautes Gefühl und ich muss weinen. Mir ist diese Situation sehr unangenehm und ich bin dann froh, als das Gespräch zu Ende ist. Am Abend spendiert ein Mitpatient auf Grund seines Geburtstages Leberkäse und Brötchen. Schmeckt sehr gut, aber ich kann die gesellige Runde nicht wirklich genießen. Nach der Tablettenausgabe lege ich mich sofort hin. Und obwohl ich nicht einschlafen kann, stehe ich nicht auf, als es zur Alkoholkontrolle an meine Tür klopft. Die Pflege kommt dann ins Zimmer und ich puste im Bett liegend in den Alkoholtester. Danach schlafe ich ein.

Donnerstag, 4. Januar

Ich wache mit einem deutlich verbesserten Gemütszustand auf. So startet die Gruppenstunde auch besser. In der Rückfallprävention besprechen wir Hochrisikosituationen. Mein emotionaler Zustand hat sich stabilisiert und so sehe ich dem baldigen Wochenende und dem Besuch von meiner Familie freudig entgegen.

Freitag, 5. Januar

In der Gruppenstunde ging es um Männer und Gefühle. Mir war die Thematik nach dem Vorfall am Mittwoch beim Einzelgespräch unangenehm und ich habe in dieser Stunde nichts gesagt. Danach habe ich in der Gestaltungstherapie weiter mein Malbuch bearbeitet. Nach dem Mittagessen rief mich meine Tochter an. Die Fahrt hatte besser geklappt als gedacht, und nun Bestand die Möglichkeit, bereits heute Mittag zusammen etwas zu unternehmen.

Sonntag, 7. Januar

Bevor die Kinder die Heimreise antreten, frühstücken wir noch einmal gemeinsam in der Ferienwohnung. Danach wird gepackt und ich verabschiede mich. Dann bin ich nach Pirmasens zum Dynamikum gefahren. Das Dynamikum ist ein Technikmuseum, das auf dem Gelände einer ehemaligen Schuhfabrik in Pirmasens eröffnet wurde. Das Mitmach-Museum soll Phänomene aus Natur und Technik erlebbar machen und richtet sich primär an schulpflichtige Kinder. Ich hatte aber auch jede Menge Spaß, auch wenn Physik nicht zu meinen Lieblingsfächern gehört hat.

Blick auf einen winterlichen WiesenwegQuelle:Thomas Mayer Rinnthal Rinnthal: In der Nähe des kleinen Moors am Eiderberg

12. Woche

Montag, 9. Januar

Das MTT-Training macht mir diesmal sogar Spaß. Der Sporttherapeut hat ein Zirkeltraining für Koordinationsübungen aufgebaut. Um 17 Uhr trifft sich die Gruppe in der Lehrküche um zu kochen. Nun ja, kochen ist übertrieben. Es gibt Wildschwein-Bratwürste und Burger. Ich muss aber zugeben, dass das Fleisch von sehr guter Qualität ist.

Samstag, 13. Januar

Nach einem Brezel-Frühstück fahre ich nach Neustadt an der Weinstraße. Die Stadt mit exponierter Lage am Rand des Pfälzerwaldes hat über 50.000 Einwohner. Die Altstadt ist geprägt von vielen Fachwerkhäusern und einem historischen Stadtkern. Im Gegensatz zu Krefeld gibt es hier noch viele kleine Fachgeschäfte und keinen wesentlichen Leerstand von Ladenlokalen. Der Spaziergang durch den Stadtkern macht Spaß, obwohl die Temperatur eisig ist.

Montag, 15. Januar

Der sportliche Eingangstest (Cooper) wurde heute erneut durchgeführt. Diesmal konnte ich dank der Kniebandagen auch leicht joggen. Umso enttäuschender war das Ergebnis. Ich habe mich nicht verbessert. Fand das schon frustrierend. Vielleicht war aber auch die gestrige Wanderung einfach zu viel. Danach stand die ärztliche Abschlussuntersuchung an. Es war im Prinzip nur ein Abgleich der von mir gesteckten Ziele mit den Ergebnissen nach dreizehn Wochen. Ziel Abnehmen erreicht und trotz des Cooper-Testes fühle ich doch ein deutlich bessere körperliche Verfassung. Positiv auch die Entwicklung meiner Blutfettwerte. Hier liege ich jetzt schon fast im Normbereich.

Ein Graureiher sitzt auf einem SteinQuelle:Thomas Mayer Graureiher im Zoo Landau Viele Vogelarten können Besucher im Zoo Landau beobachten. Hier ein Graureiher.

Dienstag, 16. Januar

Rufe bei der Caritas Suchthilfe in Krefeld an und bekomme bezüglich meiner Nachsorge bereits nächste Woche einen Termin. Das läuft ja gut.

Donnerstag, 18. Januar

In der Gruppenstunde geht es erneut um das Thema Gefühle. Wir sollen ein negatives Gefühl malen, welches uns auf dem Weg der kontinuierlichen Abstinenz gefährlich werden kann. Alle müssen dann aufschreiben, welches Gefühl sie in den Bildern der Anderen erkennen. Mein Gefühl „Wut“ erkennt niemand. Bin halt doch kein Maler.

Freitag, 19. Januar

Im Einzelgespräch, ziehen sowohl mein Bezugstherapeut wie auch ich ein positives Fazit. Alle wesentlichen Ziele wurden erreicht und ich fühle mich gut gewappnet für ein zukünftiges abstinentes Leben. Die Bereiche Beziehung und Verhältnis zu meinen Eltern werde ich im Anschluss angehen.

Abschied

Montag, 22. Januar

Kurzes Sporttraining und ein letztes Gespräch mit dem Therapeuten bevor am Nachmittag die letzte Gruppenstunde und meine Verabschiedung ansteht. Wenn es einen selber betrifft, ist so eine Verabschiedung schon noch ein Stück emotionaler. Das durchweg positive Feedback von allen Gruppenkollegen und den beiden Bezugstherapeuten hat mich sehr gefreut. Die Rückmeldungen aus der Gruppe zeigten, dass man meine Beiträge auch während unserer Gruppensitzungen zu schätzen wusste. Das ist eine wirklich tolle Rückmeldung.

Dienstag, 23. Januar (Heimfahrt)

Ich hatte mir den Wecker für sechs Uhr gestellt. Nach der Morgentoilette habe ich dann den Wagen vom Parkplatz zu einem An-/Abreise Parkplatz gefahren. Damit konnte ich mein Gepäck einfacher verladen. Nach der Zimmerreinigung habe ich Bettwäsche, Handtücher und Duschvorhang zum Wäschezentrum gebracht. Danach gab es dann das letzte Frühstück in der Klinik. Ab acht Uhr dann die letzten Unterschriften auf dem Laufzettel in der Patientenaufnahme. Die Entlassungspapiere erhalte ich, nachdem ich dann alle Schlüssel abgegeben hatte. Die Rückreise verläuft ohne Probleme. Damit endet meine dreimonatige Reha.

Fazit

Es gab zwei Aspekte, unter denen ich die Suchtreha beantragt und angetreten habe. Der erste Aspekt war die Suchtfrage. Hier stand im Vordergrund: bin ich Alkoholiker? Diese Frage konnte ich bereits nach den ersten vierzehn Tagen mit einem eindeutigen Ja beantworten. Nach Klärung dieser Frage gab es bei mir die Überlegung nach einem kontrollierten Trinken. Hier hat die Entscheidungsfindung länger gebraucht. Aber nach Erfahrungen aus den Suchtkurven der Gruppenkollegen, den Informationen aus den Gruppenstunden und den Gesprächen in der Einzeltherapie bin ich letztendlich zu der Erkenntnis gekommen, darauf zu verzichten. So ziehe ich beim Thema Klärung meines eigenen Suchtverhaltens eine positive Bilanz. Ich weiß meine Vergangenheit nun richtig einzuordnen und meine Zukunft suchtmittelfrei zu gestalten. Der zweite Aspekt war die Möglichkeit, durch die Reha eine längere Auszeit von meiner Arbeit zu bekommen. Auch wenn es durch den vorgegebenen Terminplan zeitliche Einschränkungen gab, blieb genügend Raum für etliche Unternehmungen. Insbesondere meine Tageswanderungen haben mir viel Freude bereitet und Zeit zum Nachdenken gebracht. So ziehe ich, trotz einiger Ärgernisse, eine positive Bilanz. Dafür verantwortlich sind vor allem auch alle meine Gruppenkollegen und die beiden Bezugstherapeuten.