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"Alkohol ist wie der Teufel"

Fadel Temsah findet in der Fachklinik Eußerthal einen Weg aus der Abhängigkeit

Fadel Temsah hatte seinen Alkoholkonsum nicht mehr im Griff und beschloss, im Frühjahr 2023 eine Reha in unserer Fachklinik anzutreten. Er stammt aus dem Libanon und erzählt uns im Interview, wie ihm in Eußerthal geholfen wurde, sein Leben suchtmittelfrei zu gestalten.

Wie die Reha bei uns einem Alkoholkranken neuen Mut fürs Leben gab

Fadel TemsahQuelle:DRV Rheinland-Pfalz Fadel Temsah

Fachklinik Eußerthal: Hallo Herr Temsah, stellen Sie sich uns doch kurz vor, bitte.

Fadel Temsah: Hallo, ich bin 40 Jahre alt, wohne in Trier und bin seit 2018 alkoholabhängig. Am Anfang habe ich zum Spaß getrunken oder um den Rausch zu erleben. Dann kamen noch verschiedene Drogen dazu. Ich wurde psychisch krank, hatte Stress und 2023 habe ich mich für einen Klinikaufenthalt entschieden. Jetzt fühle ich mich wie ein anderer Mensch. Davor habe ich mich nichts mehr getraut zu machen und mich geschämt für meine Sucht. Ich habe nicht über meine Probleme reden können. Es war schwer zuzugeben, dass ich Alkoholiker bin. Aber die Therapeuten und alle Menschen hier in der Fachklinik sind sehr nett und haben mich unterstützt. Seit zwölf Wochen bin ich nun hier und habe neue Ziele in meinem Leben. Davor war mir nur die Flasche wichtig und alles andere egal. Hier habe ich neue Motivation bekommen. Es ist auch ein Neubeginn für meine Gesundheit - der Alkohol hat mich kaputt gemacht.

Wie hat sich das geäußert?

Fadel Temsah: Ich habe Multiple Sklerose (MS). Das weiß ich seit 2018, ich saß ein halbes Jahr im Rollstuhl. Dann habe ich meine Arbeit verloren, meine Gesundheit, mein Geld. Da habe ich mit dem Alkohol angefangen, aber das war der Teufel. Der hat mich noch mehr kaputt gemacht.

Haben Sie selbst einen Punkt gemerkt, an dem Sie dachten, jetzt brauchen Sie Hilfe?

Fadel Temsah: Ein Kumpel von mir hat mich zu Hause besucht und hat gesehen, wie ich lebe. Er wollte nicht ins gleiche Loch fallen wie ich. Er hat gesagt: Entweder machst du Therapie oder die Freundschaft ist beendet.

Das war der Weckruf?

Fadel Temsah: Genau das war der Weckruf- plus meine zwei Kinder: Ich bin geschieden, habe zwei Mädchen. Der Alkohol hat mich von meinen Kindern und vom Leben zurückgehalten. Wie fast alle geschiedenen Väter sah ich meine Kinder alle 14 Tage. Aber die Töchter wollten nicht mehr so gerne zu mir und die eine Tochter sagte `“Papa, ich habe Angst du stirbst, wenn wir da sind. Du bist nur am Trinken.“

Wie sind Sie in die Fachklinik gekommen?

Fadel Temsah: Mein Nachbar hat mich gefragt, was mit mir los sei. Ich sagte ihm, dass ich alles verloren habe, dass ich ohne Alkohol nicht leben kann und ich zittere, wenn ich nichts trinke und nicht laufen kann.  Er hat mich mit zu seiner Ärztin genommen und sie hat einen Termin in der Suchtberatungsstelle in Trier ausgemacht, direkt am gleichen Tag. Dort hat die Beraterin mir bei den Anträgen für die Reha geholfen. Keine 48 Stunden später war ich zur Entgiftung im Krankenhaus in Hermeskeil. Ein Kumpel hat sich freigenommen, um mich dorthin zu fahren.

Fadel Temsah zeigt an seinem Mobiltelefon Fotos von seinen KunstwerkenQuelle:DRV Rheinland-Pfalz Fadel Temsah

Wie war das für Sie?

Fadel Temsah: Die erste drei Tage waren nicht so einfach. Das kann man ganz ehrlich sagen. Wenn jemand sagt, Entgiftung sei einfach - ist es nicht. Aber wer es will, der schafft es. Dort war ich medizinisch ruhiggestellt und k.o. Am vierten Tag ging es mir schon ein bisschen besser. Am sechsten Tag bin ich sofort nach Eußerthal gekommen. Direkt vom Entzug zur Aufnahme.

Wie sind Sie hierhergekommen?

Fadel Temsah: Mit dem Taxi. Durch meine Multiple Sklerose konnte ich nicht alleine raus, konnte nicht viel laufen.

Wann sind Sie nach Eußerthal gekommen?

Fadel Temsah: Am 14. März. Dieses Datum werde ich nie vergessen. Die erste Schritt in die richtige Richtung. Die Pflege, Ärzte, Therapeuten, der Sozialdienst, die Rentenversicherung: alle wollten helfen. Ich bin sehr freundlich aufgenommen worden. Ich habe hier gespürt, dass ich ein anderes Leben haben will. Und ich habe gemerkt: ich bin nicht alleine hier. Die Leute kümmern sich um mich. Am Montag werde ich entlassen. Dann habe ich es mehr als drei Monate lang geschafft ohne Alkohol. Und ich komme wieder: dann aber nur zu Besuch.

Hut ab für den Weg, den Sie gegangen sind. Können Sie uns erzählen, wie der erste Tag hier war?

Fadel Temsah: Also der erste Tag war schwierig. Ich habe mich gefragt: Wo bin ich hier gelandet? Ich war sehr durcheinander und wollte zurück. Es war meine erste Reha. Da wusste ich nicht: wie läuft das hier? Es war eben ein ganz anderes Umfeld. Kurz habe ich gezögert, ob ich das nach der Entgiftung überhaupt brauche. Ich wollte wieder heim. Aber dann kam ich zur ärztlichen Untersuchung und zum psychologischen Gespräch. Da habe ich gemerkt, dass die Therapeutin meine Probleme erfasst hat. Und mir ist klargeworden, dass das hier eine Chance ist, die ich nicht verpassen möchte. Ich habe mich auch in der ersten Woche nicht getraut, zu reden. Kann auch sein, dass der Alkohol in der Vergangenheit meinen Kopf kaputt gemacht hat. Ich habe gemerkt, dass ich mich nicht mehr betäuben kann, dann die psychischen Leiden wurden erst einmal schlimmer.

Die Probleme gehen leider nicht sofort weg...

Fadel Temsah: Genau das ist es. Der Alkohol löst die Probleme nicht, sondern verschiebt sie und macht noch mehr Probleme.

Gab es eine Therapie, die besonders viel gebracht und auch Spaß gemacht hat?

Fadel Temsah: Ich fühle mich wie neu geboren: Ich habe zum Beispiel hier angefangen zu malen, das macht mir sehr viel Spaß. Da finde ich meine Ruhe. Auch die Entspannungstherapie hat mir sehr viel gebracht. Vor allem die Fantasie-Reisen. Das kann ich jetzt auch auf meinem Zimmer machen, ich suche mir eine auf Youtube raus und tauche ab in eine andere Welt.

Wie wichtig war für Sie das Zusammenleben mit anderen Abhängigkeitserkrankten?

Fadel Temsah: Also am Anfang war es viel zu viel für mich. Ich war lange in meinem Leben einsam. Und hier das Zusammenleben mit Menschen ist schon ein wenig anders. Aber ich hatte das Gefühl, ich bin nicht der Einzige, der das Problem hat. Es gibt auch noch andere und denen geht es teilweise noch viel schlechter. Aber irgendwann war es wie eine Familie. Da sitzt du in der Morgenrunde und erzählst den anderen, wie deine Nacht war und wie es dir geht. Es gab auch eine Gruppe ohne Therapeuten, da haben wir uns gegenseitig Vorschläge gemacht, wie es nach der Reha weitergehen kann. Auch wie man die Zeit füllen kann. Das hilft schon enorm, wenn du von den anderen hörst, welche Probleme sie haben und du dich austauschen kannst. Wir sind hier von morgens bis abends beschäftigt. Langweilig wird es einem nicht.

Und wie wollen Sie es zuhause schaffen?

Fadel Temsah: Ich werde die Selbsthilfegruppe in Trier besuchen, dann habe ich noch Sport-Therapie, denn ich muss trotz MS ein bisschen in Bewegung bleiben. Aber ich brauche noch einen Psychotherapeuten, der sich mit Traumatherapie auskennt. Ich komme aus dem Libanon und habe dort viel erlebt, auch den Krieg. Und ich hoffe, dass ich nach einiger Zeit wieder etwas arbeiten kann. Meinen Beruf muss ich leider wechseln, weil dafür bin ich nicht mehr geeignet.

Was haben Sie gemacht?

Fadel Temsah:Ich habe in Deutschland einmal als Koch in der Gastronomie gearbeitet. Das war aber schwierig, weil ich keine Freizeit für die Familie hatte. Und danach war ich Maschinenführer in einer Druckerei. Aber dann fing das mit der MS an, ich bin bei der Arbeit an der Maschine umgekippt und bin im Krankenhaus wieder aufgewacht. Ich konnte mich erst einmal nicht mehr bewegen und saß im Rollstuhl. Danach habe ich meinen Job und meine Frau verloren. Es war alles zu viel und da war da der Alkohol… Aber jetzt kann ich sagen: Ich bin da raus. Ich habe mich hier testen können, wie es ist, am Wochenende mal abends rauszugehen und anderen dabei zuzusehen, wie sie trinken.

Fadel Temsah sitzt nachdenklich am TischQuelle:DRV Rheinland-Pfalz Fadel Temsah Nachdenklich: der 40-jährige Fadel Temsah.

Hier gibt es also auch die Möglichkeit, sich zu testen, ob man Nein sagen kann?

Fadel Temsah: Ja, ich war einmal in Landau in einer Disco während meiner Reha, um zu schauen, ob ich stark bleiben kann. Es war schwierig. Alkohol ist wie der Teufel. Sobald du da reingehst, siehst du: der Teufel möchte dich wiederhaben. Und du denkst „oh, ein, zwei Bierchen, da geht es mir gut“.

Wie haben Sie es geschafft, keinen Alkohol zu trinken?

Fadel Temsah: Ich habe einfach nur das Bild meiner Kinder vor Augen. Das sind meine Schutzengel. Wenn ich trinke, dann ist für sie der Papa tot oder weg. Es war schwierig an dem Abend. Zurück in Eußerthal, bin ich direkt zu der Therapeutin und habe gesagt: Ich habe Suchtdruck ohne Ende. Ich kann nicht garantieren, dass ich es schaffe, keinen Alkohol zu trinken. Bei der Pflege haben sie mir dann ein Beruhigungsmittel gegeben. Dann gab es in der letzten Woche der Reha auch eine Heimfahrt. Das war die nächste Probe…von Freitag bis Sonntag. Und egal, ob du rückfällig wirst in der Zeit oder nicht, du musst zurück in die Klinik. Denn da können sie dich in dem Fall auffangen und weiterbehandeln. Der Test ist schon wichtig. Wie komme ich zu Hause klar, in meinem alten Umfeld - denn dort ist man wieder alleine.

Wie sieht der Tag aus, an dem Sie entlassen werden? Haben Sie einen Plan?

Fadel Temsah: Einkaufen und meinen Suchtberater anrufen. Ich habe in der Woche viel zu erledigen. Und ich muss ins Krankenhaus, zu Untersuchungen wegen meiner MS. In der zweiten Woche bin ich bei einem Kumpel eingeladen, sodass ich langsam daheim ankommen kann. Während ich weg war, hat mir mein Vermieter meine Wohnung komplett renoviert. Das war ein Geschenk von ihm. Er hatte gehört, dass ich zur Reha gehe

Haben Sie Tipps für Menschen, die in der gleichen Situation sind wie Sie vor der Entgiftung und der Reha?

Fadel Temsah: Sie sollen die Scheuklappen wegmachen und sich bei einer Suchtberatungsstelle Hilfe holen. Ich kann verstehen, dass man Angst hat. Weil du erlebst als Alkoholiker dein Leben als schlechten Film, du willst nicht rausgehen und bist einsam. Durch die Sucht bleibst du immer gefangen, es ist ein Kreislauf. Aber diesen Film kannst du beenden. Es lohnt sich, etwas Neues zu machen, mir hat es sehr geholfen hier. Ich bin stolz auf mich selbst und bin dankbar für die Reha in Eußerthal und für das, was die Ärzte und alle anderen geleistet haben.